Uneinigkeit bei den pKS-Werten des Wassers

Dem einen oder anderen mag aufgefallen sein, dass die angegebenen pKS-Werte von Wasser je nach Nachschlagewerk voneinander abweichen. In der deutschen Wikipedia beispielsweise findet sich ein Wert von \(\num{14,0}\), in der pKS-Tabelle des „Riedels“ wird \(\num{15,74}\) angegeben. Der „HoWi“ gibt zwar in einer Tabelle \(\num{14,0}\) an, verweist allerdings in einer Fußnote auf den Alternativwert \(\num{15,9}\). Hier stellt sich natürlich die Frage: Welcher Wert ist jetzt der richtige? Wir möchten etwas Licht in diese Sache bringen und möglicher Verwirrung vorbeugen.

Hierzu ist es notwendig, dass wir uns mit einigen Definitionen auseinandersetzen. Betrachten wir zuerst ganz allgemein die Deprotonierung einer Säure \(\ce{HA}\) in wässriger Lösung:

$$
\ce{HA + H2O <=> A- + H3O+}
$$

Mit dem Massenwirkungsgesetz erhalten wir als Gleichsgewichtskonstante \(K\) für diese Reaktion:

$$
K = \frac{c(\ce{A-}) \cdot c(\ce{H3O+})}{c(\ce{HA}) \cdot c(\ce{H2O})}
$$

Da wir uns in wässriger Lösung befinden, ist das Wasser in weitaus größerer Menge vorhanden als die darin gelösten Ionen. Dies erlaubt uns, die Konzentration von Wasser als konstant anzunehmen. Wir multiplizieren die Gleichung deswegen mit \(c(\ce{H2O})\) und definieren das Produkt aus \(K\) und \(c(\ce{H2O})\) als die Säurekonstante \(K_S\).

$$
K_S = K \cdot c(\ce{H2O}) = \frac{c(\ce{A-}) \cdot c(\ce{H3O+})}{c(\ce{HA})}
$$

Mit diesem Rüstzeug wollen wir nun die allgemeine Reaktion oben für den Spezialfall mit Wasser als Säure \(\ce{HA}\) formulieren:

$$
\ce{H2O + H2O <=> OH- + H3O+}
$$

Wie ihr vielleicht erkannt habt, handelt es sich hierbei um die Autoprotolyse des Wassers. Die Säurekonstante ergibt sich für diese Reaktion zu:

$$
K_S = \frac{c(\ce{OH-}) \cdot c(\ce{H3O+})}{c(\ce{H2O})}
$$

Wir sind nun in der Lage, \(K_S\) allein aus gefundenen experimentellen Literaturwerten zu berechnen und so den pKS Wert zu überprüfen. Der Term im Zähler ist das Ionenprodukt des Wassers, für das wir den Wert \(\SI{10^{-14}}{\mol\squared\per\liter\squared}\) bei 25 °C im „HoWi“ gefunden haben. Auch die Konzentration des Wassers im Nenner setzt sich aus Literaturwerten zusammen:

$$
c(\ce{H2O}) = \frac{n(\ce{H2O})}{V(\ce{H2O})} = \frac{\frac{m(\ce{H2O})}{M(\ce{H2O})}}{V(\ce{H2O})} = \frac{m(\ce{H2O})}{V(\ce{H2O}) \cdot M(\ce{H2O})} = \frac{\frac{m(\ce{H2O})}{V(\ce{H2O})}}{M(\ce{H2O})} = \frac{\rho(\ce{H2O})}{M(\ce{H2O})}
$$

Für die Dichte des Wassers bei 25 °C haben wir einen Wert von \(\SI{0,9971}{\gram\per\milli\liter}\) gefunden (ebenfalls im „HoWi“), für die molare Masse haben wir einen Wert von \(\SI{18,0153}{\gram\per\mol}\) aus den einzelnen Atommassen (Periodensystem von Merck) ausgerechnet. Damit ergibt sich für die Konzentration von Wasser ein Wert von \(\SI{55,35}{\mol\per\liter}\).

Diese Werte setzen wir nun in unsere Formel für \(K_S\) ein:

$$
K_S = \frac{\SI{10^{-14}}{\mol\squared\per\liter\squared}}{\SI{55,35}{\mol\per\liter}} = \SI{10^{-15.74}}{\mol\per\liter}
$$

Der pKS-Wert ist der negative dekadische Logarithmus dieses Wertes, also \(\num{15,74}\). Damit hätten wir den Literaturwert des „Riedels“ reproduziert. Wieso findet man also so häufig den Wert \(\num{14,0}\)?! 😯

Bestimmt man den \(K_S\)-Wert von Wasser, ergibt sich im Vergleich zu anderen Säuren die Besonderheit, dass bei der Säurekonstante der konstante Wert \(c(\ce{H2O})\) immer noch im Nenner steht. Normalerweise stünde ja hier die Konzentration \(c(\ce{HA})\) der im Wasser gelösten Säure, also ein nicht-konstanter Wert. Dieser Umstand bewog offenbar einige Autoren dazu, \(K_S\) für Wasser umzudefinieren und auch dieses mit \(c(\ce{H2O})\) zu multiplizieren.

Die spezielle Definition, welche sich damit für \(K_S(\ce{H2O})\) ergäbe, lautet: \(K_S = K \cdot c^2(\ce{H2O})\). Dies entspräche dann dem Ionenprodukt des Wassers \(K_W\), das laut „HoWi“ bei 25 °C \(\SI{10^{-14}}{\mol\squared\per\liter\squared}\) beträgt.

Aus diesem Grund halten wir den Wert \(\num{15,74}\) für den korrekten, da er auf einer einheitlichen Definition des \(pK_S\)-Wertes basiert und keine verwirrende Ausnahme für Wasser macht.

Man kann recht leicht zeigen, zu was für Problemen der Wert von \(\num{14}\) führen kann, indem man ihn einfach benutzt um den pH-Wert reinen Wassers zu berechnen. Wasser können wir als schwache Säure annehmen, womit sich der pH-Wert mit der bekannten Formel

$$
pH = \frac{1}{2} \cdot \left(pK_S – \log_{10}c(\ce{HA}) \right)
$$

berechnen lässt. Die Konzentration reinen Wassers haben wir oben zu \(\SI{55,35}{\mol\per\liter}\) bei \(\SI{25}{\celsius}\) bestimmt. Setzen wir den richtigen \(pK_S\)-Wert von \(\num{15,74}\) ein, ergibt sich das erwartete Ergebnis von 7:

$$
pH = \frac{1}{2} \cdot \left(pK_S(\ce{H2O}) – \log_{10}\left(c(\ce{H2O})\right) \right) = \frac{1}{2} \cdot \left(\num{15,74} – \log_{10}\left(\num{55,35}\right) \right) = \num{7,00}
$$

Würde man hier \(\num{14}\) als \(pK_S\)-Wert einsetzen, so käme man auf den — für \(\SI{25}{\celsius}\) ganz klar falschen — pH-Wert von \(\num{6,13}\).

2 Kommentare zum Beitrag

  • Jan
    am 23/1/2024 um 12:06 Uhr

    Die Gleichgewichtskonstante K ist eine dimensionslose Größe, die sich aus den Aktivitäten der Reaktanden ergibt. In verdünnten Lösungen kann der Wert von K durch K_c angenähert werden, indem Konzentrationen anstatt Aktivitäten verwendet werden. Aber nur (!) für kleine Konzentrationen. Wenn Wasser als Lösungsmittel verwendet wird, darf die Aktivität von Wasser nicht durch seine Konzentration angenähert werden. Es liegt keine Verdünnung vor. Lösungsmittel und Feststoffe haben eine Aktivität von 1 und tauchen daher in K_c praktisch nicht auf.
    Euer Artikel scheitert direkt am Anfang, indem ihr die Gleichung zur Berechnung der Gleichgewichtskonstante falsch aufstellt.

  • Paul
    am 9/1/2024 um 19:11 Uhr

    Wenn statt der vielen “ [Math Processing Error] “ die gemeinten Zahlen dort stünden, wäre der Artikel viel nützlicher.

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